Juhu, endlich gibt es hier wieder auf dem Blog was zu lesen. Aber nicht nur das – es gibt auch jede Menge zu lernen. Denn heute habe ich eine Expertin im Interview zu einem Thema, das vielen Eltern am Herzen liegt. Seid ihr bereit? Es geht um die Zahngesundheit von unseren Kindern. Ich denke, dass viele von euch wie ich bei der Zahngesundheit zuerst an die Vorbeugung von Karies denken.
Doch so wichtig dieses Thema auch ist, ist es damit nicht getan. Und weil eben so viele Eltern wie auch ich die Zusammenhänge und den Einfluss gesunder Beißerchen auf den gesamten Körper nicht kennen, ist Frau Dr. Nicole Lenz auf mich zugekommen. Sie verrät im spannenden Interview, wie Eltern schon früh den Grundstein für einen gesunden Mundraum Ihrer Kinder legen, welche unschönen Folgen Fehlstellungen haben und wie diese früh behandelt werden können und warum viele Probleme erst viel zu spät (z. B. im Teenageralter) angegangen werden. Das Reinlesen lohnt sich also!
Jana Patschhand: Liebe Frau Dr. Lenz, vielen Dank das Sie für dieses Interview für meinen Blog zur Verfügung stehen. Da meine Leser*innen natürlich immer wissen wollen, welche Fachfrau ich da befrage, bitte ich Sie gleich zu Anfang sich einmal kurz vorzustellen:
Dr. Lenz: Mein Name ist Nicole Lenz, ich bin eine ganzheitlich denkende Zahnärztin, weil Gesundheit – Von Zahn Biss Zeh unglaublich wichtig ist. Dabei ist es wichtig bereits bei unseren Kleinsten zu beginnen, damit später große Behandlungen vermieden oder vermindert werden können. Seit 2017 habe ich meine eigene Praxis in Potsdam.
Jana Patschehand: Sie sind für dieses Interview auf mich zugekommen, weil Sie als Zahnärztin eine wichtige Mission verfolgen. Es geht um das Thema Zahngesundheit – und zwar schon von Anfang an. Viele Eltern denken jetzt wohl, wie ich selbst auch, an die Kariesprophylaxe. Aber damit ist es eben bei dem Thema nicht getan.
Denn auch Fehlstellungen sind bei vielen Kleinkindern schon ein Thema. Dabei denke ich auch hier sicher nicht als Einzige bei der Behandlung von Fehlstellungen an Teenager und Zahnspangen. Jetzt kommen Sie aber und sagen: Das ist viel zu spät. Können Sie das einmal erklären?
Dr. Nicole Lenz: Das erste, was Kinder machen, ist atmen. Wenn die Nasenatmung jedoch eingeschränkt ist, zum Beispiel durch Polypen, wird dies vom Mund übernommen. Das ist bei Kindern neben zerklüfteten Mandeln die häufigste Ursache. Dadurch kommt es neben ganzheitlichen Auswirkungen zu einer falschen Zungenlage und dadurch bedingt zu einem geringen Wachstum des Oberkiefers. Dieser entwickelt sich zu schmal. Dementsprechend entwickelt sich der Unterkiefer auch falsch, weil dieser der einzig bewegliche Teil des Kauapparates ist. In einem zu schmalen Kiefer herrscht ein Platzmangel, alle Zähne drängeln sich dort hin wo eben gerade Platz ist. In der Folge werden spätestens im Teeniealter Zähne gezogen, was weitere Nebenwirkungen haben kann.
Jana Patschehand: Gibt es denn etwas, was Eltern tun können um Fehlstellungen von Anfang an vorzubeugen?
Dr. Nicole Lenz: Ja, stillen Sie so lange wie möglich, das regt die Aktivität der Kaumuskeln an. Ansonsten nur den kleinsten Schnuller wählen, weil auch damit die Kleinen mehr Muskeln benötigen, um einen Effekt zu haben. Am besten den Schnuller nur im sprichwörtlichen Säuglingsalter anwenden oder gar nicht. Falls ein Schnuller unabdingbar ist, sollte der am Schaft sehr schmal sein. Oder den am Schaft nach und nach stückweise abschneiden, damit die Zunge Platz hat.
Achten Sie bei der Entwicklung auf die Atmung. Steht der Mund oft offen? Dann lassen Sie bitte einen HNO auf Polypensuche gehen. Geben Sie Ihren Kindern eher feste Nahrung, damit die Zähne ihrer Aufgabe nachkommen können. Sie können Ihren Kindern bereits ab dem 4. Monat eine angeschrägte Karotte zum Nagen geben. Das regt zudem das Zahnwachstum an.
Jana Patschehand: Gefühlt steht die Zahnpflege sehr im Fokus, wenn es um die Gesundheit der Kleinsten im Mundraum geht. Täuscht mich mein Gefühl da? Und wenn nicht: Warum wird das Thema Fehlstellungen bei Kleinkindern nicht mehr ins Blickfeld gerückt?
Dr. Nicole Lenz: Ja, auf die Zahnpflege wird hingewiesen. Leider auch sehr stark polarisiert, was die Werbung angeht. Die großen Firmen geben viel Geld für Werbung aus. Niemand kann die Inhaltsliste auf den Tuben verstehen und gekauft wird natürlich das, was häufig gesehen wird, Das Thema Fehlstellungen steht seit Jahren nur im Teenie- Alter im Kopf der Menschen.
Dann werden die Zähne in Position gestellt und das war es. Es kommt sehr oft zu Rezidiven. Das heißt, die Zähne stellen sich wieder zurück. Seit einiger Zeit gibt es daher in Fachkreisen und Krankenkassen die Diskussion, ob kieferorthopädische Behandlungen nicht viel zu oft in diesem Ausmaß durchgeführt werden. Unser Gesundheitssystem setzt den Fokus leider im Allgemeinen auf Behandlung von Krankheiten als auf Vorsorge.
Jana Patschehand: Was ich bis hierhin schon mal aus dem Gespräch mitnehme ist, dass ich unseren Kinderzahnarzt einmal direkt auf das Thema anspreche. Gibt es aber Anzeichen, die ich auch als Elternteil schon wahrnehmen kann, die auf eine Zahnfehlstellung hindeuten?
Dr. Nicole Lenz: Im Optimalfall haben die Milchzähne große Lücken zwischen den Zähnen, weil sie viel kleiner sind als die bleibenden Zähne. Der Unterkiefer ist schmaler als der Oberkiefer. Die Zähne beider Kiefer stehen nicht mit einem großen Abstand oder viel zu wenig Platz zueinander.
Wo befindet sich die Zunge? Wenn diese sich locker zwischen den Zähnen befindet, melden Sie sich bitte beim Zahnarzt. Neigt Ihr Kind zu Schnarchen, regelmäßigen Mittelohrentzündungen gehen Sie bitte zum HNO-Arzt. Betrachten Sie das Gesichtsprofil des Kindes nach den Proportionen. Wirkt es gedrungen? Sind die Lippen permanent angespannt?
Jana Patschehand: Nehmen wir einmal an, bei meinem Kleinkind wird ein Behandlungsbedarf festgestellt. Wie sieht so eine Behandlung dann aus? (gern anhand eines konkreten Beispiels)
Dr. Nicole Lenz: Wir machen zunächst eine ausführliche Anamnese und überweisen bei Bedarf an einen HNO-Arzt oder sogar Chiropraktiker. Bei manchen Fällen ist eine Frühbehandlung mit herausnehmbaren Zahnspangen auch bei der gesetzlichen Krankenkasse möglich.
Ist dies nicht der Fall, werden die Behandlungen privat vereinbart. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Muskulatur entweder anzuregen, zu verstärken oder/und andere Muskeln in ihrer Aktivität zu hemmen. Dadurch stellen sich die Zähne von ganz allein dahin wo sie hingehören. Gerade bei den Kleinen nutzen wir das Wachstum.
Diese Geräte werden vor allem nachts getragen und es gibt Übungen für den Tag. Wir machen monatliche Kontrollen, Fotos zur Überwachung und Erfolgskontrolle. Nach 3-4 Monaten gibt es, je nach Entwicklung ein weiteres Gerät. In der Regel dauert die gesamte Behandlung 12-16 Monate.
Jana Patschehand: Welche Vorteile hätte so eine frühe Behandlung? Und welche negativen Folgen werden so ggf. gemildert oder fallen ganz weg?
Dr. Nicole Lenz: Die Vorteile liegen darin, dass das Kind in der Entwicklung ist und wir somit ein optimales Wachstum fördern. Wir beugen Sprachfehlern vor. Eine gute Zahnstellung sorgt für optimales Beißen, Kauen, Sprechen, Atmen, Schlucken. Unfallfolgen können vorgebeugt werden, wenn die Oberkieferfrontzähne nicht so weit nach vorn abstehen. Diese sind bei einem Sturz die ersten, die verletzt werden.
Mit einer optimalen Zahnstellung haben wir auch eine bessere Körperhaltung. Eine gute Atmung sorgt für Konzentration, optimalen Schlaf und eine gute Verdauung.
Jana Patschehand: Vielen Dank, Frau Dr. Lenz, für dieses spannende Gespräch. Ich glaube bei diesem Thema ist die Aufklärung von uns Eltern ein ganz entscheidender Schritt hin zu gesunden Kinderzähnen.
Und? Ging es euch auch so wie mir und es hat beim Lesen des Interviews einige Aha-Erlebnisse gegeben? Ich bin der sympathischen Dr. Lenz dankbar, dass sie es sich zum Ziel gemacht hat, möglichst viele Eltern zu erreichen und ihr Fachwissen verständlich zu teilen. Denn nur wenn wir wissen, was neben der Kariesprophylaxe noch wichtig ist, können wir aktiv zur gesunden Mundraumentwicklung unserer Kinder beitragen.
Mit Schrecken feststellend, dass mein nächster Zahnarzttermin bald ansteht, grüßt euch
eure Jana Patschehand