Überall hört und liest die schwangere Frau heutzutage, dass stillen das Beste für ihr Baby und sie selbst ist und unzählige Vorteile bietet. Diese Aufklärung über die vielen positiven Aspekte des Stillens finde ich super. Doch im Widerspruch dazu, fällt mir auch immer wieder auf, dass den werdenden Müttern geradezu Angst gemacht wird, wie schrecklich schmerzhaft, anstrengend und einschränkend stillen sei. Aus diesem Grund hier nun mein Plädoyer gegen die Angstmacherei und ein ehrlicher Blick auf das, was da auf die werdenden Mütter zukommt, die stillen möchten.*
Wenn man nur Schlechtes hört … oder: Die Angst vorm Stillstart
Vor kurzem fuhr ich mit Junior Straßenbahn und wurde dabei Zeugin eines Gesprächs. Eine offensichtlich hochschwangere Frau hörte sich an, was ihre Begleiterin zum Thema Babyernährung, genauer zum Stillen, zu sagen hatte. Wirklich ermutigend war ihr Monolog nun nicht. Sie riet unter anderem, dass die Neu-Mama beim Stillen am besten „an den letzten Urlaub“ denken solle, denn „sonst ist das echt nicht auszuhalten“. Natürlich sei stillen auch mit großen Schmerzen verbunden und irre anstrengend. Und ganz allein ist Mama mit dieser Angelegenheit auch, denn „da kann Papa nicht einfach mal übernehmen“. Etwas schadenfroh, wie ich fand, fügte die Frau noch an: „Also vor allem in den Nächten wünsche ich dir viel Spaß!“.
Oh weh – und wieder wurde einer Schwangeren erfolgreich Angst vorm Stillen eingejagt. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich neben der Sorge, ob ich eine Geburt überstehe, auch Angst vor dem, anscheinend so furchtbaren, Stillen hatte. Auch ich hatte Frauen in meinem Umfeld, die hauptsächlich negativ berichteten und mir mit ihren Erzählungen die Sorgenfalten auf die Stirn trieben.
Mein Plan war, Junior, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen, sechs Monate voll zu stillen und dann langsam und in Juniors Tempo die Beikost einzuführen. Doch wie soll ich so lange eine solch schreckliche Sache durchziehen? Stand mir jetzt eine geradezu endlose Zeit voller Schmerz bevor?
Ja, diese Fragen geisterten wirklich durch meinen Kopf. Denn Schmerzen finde ich doof. Anstrengung im Zweifel auch. Und Schlafmangel sowieso (hier möchte ich kurz anmerken, dass ich damals noch gar nicht wusste, was Schlafmangel heißt). Doch wisst ihr was? Es ist gar nicht so schlimm. Wirklich nicht.
Fünf beruhigende Erkenntnisse rund ums Stillen
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Nach nun sieben Monaten Stillzeit (Kleines Update: Es sind nun schon über 16 Monate und meine Erkenntnisse gelten für mich noch immer) kann ich die folgenden, beruhigenden Erkenntnisse rund ums Stillen mit euch teilen:
1. Stillen tut nicht weh. Wenn es schmerzt, dann läuft etwas falsch. Dann hilft oftmals eine Stillberatung und – mir zumindest schon in vielen Fällen – die tolle Website stillkinder.de (siehe auch Teil 1 & Teil 2 der 21 Dinge, die ich gern vor Juniors Geburt gewusst hätte).
2. Aus meiner Sicht ist stillen eine absolute Entlastung im Babyalltag. Ich kenne keine zuverlässigere und angenehmere Methode, um Junior zu beruhigen, zum Einschlafen zu bringen, zu ernähren und seinem Nähebdürfnis gerecht zu werden. Die Brust auszupacken ist kinderleicht, geht flott und ich muss mir weder um die richtige Temperatur noch sonst irgendetwas einen Kopf machen. Muttermilch ist immer perfekt. Punkt.
3. Papa Junior kann Junior zwar nicht stillen, aber er kann mich unterstützen und mir dadurch die Stillzeit so angenehm wie möglich machen. Ganz allein durch Monate voller Qual? Gott sei Dank nicht!
Anders sieht es natürlich aus, wenn ihr keinen Partner habt, der euch unterstützen kann und auch sonst kein helfendes Netzwerk. Doch es gibt einige Hilfsangebote für euch Neu-Mamas (die Angebote richten sich übrigens an alle frischgebackenen Eltern, die Unterstützung benötigen) und keine von euch sollte sich schämen, diese auch in Anspruch zu nehmen. Für Berlin findet ihr zum Beispiel unter diesem Link eine hilfreiche Übersicht, wo ihr unbürokratische und praktische Hilfe erhaltet.
4. Ja, die Nächte sind mehrmals unterbrochen und der Sohnemann stillt rund um die Uhr sehr gern. Aber das geht mittlerweile im Halbschlaf und liegend. Ich muss also nicht mal aufstehen, um Juniors Bedürfnis nach Nahrung und Liebe zu stillen. Oft weiß ich nicht mal, wie oft der Kleine in der Nacht angedockt hat, da ich einfach nicht richtig wach war.
Hinzu kommt ein genialer Trick der Natur: Der Schlaf von stillenden Müttern und ihrem Baby synchronisiert sich. Das heißt, dass ihr in der Regel nicht aus eurem Tiefschlaf gerissen werdet, weil der Nachwuchs Hunger hat. Sein Bedürfnis meldet euer Baby dann an, wenn ihr in leichtem Schlaf vor euch hindämmert. Das ist übrigens wieder eine (der vielen) Erkenntnis(e) aus dem fantastischen Buch „artgerecht – Das andere Baby-Buch„* von Nicola Schmidt.
In den ersten Wochen nach Juniors Geburt wunderte ich mich, warum ich in der Nacht, trotz der vielen Stillerei, gar nicht sooooo fertig war (fertig genug allerdings schon – die Beschreibungen der Nächte klangen damals jedoch schlimmer, als sie sich anfühlten). Wenn das nicht rücksichtsvoll und großartig ist! Die Tage, an denen ich hundemüde und total k.o. bin, sind somit ziemlich selten.
Wer übrigens mehr Buchempfehlungen rund um Schwangerschaft, Geburt und Babyzeit von mir haben möchte, ist in meiner übersichtlichen, knackig kurzen und laufend aktualisierten Babybibliothek gut aufgehoben.
5. Seit Juniors Geburt habe ich schon fast alle Schwangerschaftskilos wieder runter. Ich bin mir sicher, dass das Stillen einen großen Anteil an dieser Gewichtsreduktion hatte. Einfacher geht abnehmen echt nicht (ja, ich weiß, dass nicht jede stillende Mama dieses Glück hat – auch hier ist es mal wieder Veranlagung). Schade finde ich allerdings, dass stillen weder die Haut strafft, noch für mehr Muckis sorgt.
Kleiner Tipp am Rande: Ein gutes Stillkissen ist ein in vielfacher Hinsicht toller Begleiter. Und jeden Cent wert. Warum? Es entlastet euch bereits in der Schwangerschaft und hilft beim bequemeren Schlafen mit immer größer werdendem Babybauch.
Beim Stillen hilft es euch dabei, euch und euer Baby in eine angenehme Position zu bringen (oder fungiert als Stütze im Babyrücken, wenn ihr im Liegen stillt). Da die Füllung dieser sehr langen Stillkissen immer da hinrutschte, wo ich sie gerade nicht brauchte, mochte ich diese Modelle persönlich nicht. Wärmstens ans Herz legen kann ich euch den „Plüschmond“ von „Theraline„*. Leider entdeckte ich ihn erst am Ende meiner Schwangerschaft bei einer Freundin …
Ich stelle mir die Babyernährung mit Fläschchen, ehrlich gesagt, anstrengender als das Stillen vor (ob das nun wirklich stimmt, weiß ich allerdings nicht). Als einzigen Vorteil sehe ich hier, dass dann auch Papa oder die Großeltern den Nachwuchs füttern können. Doch von vielen Frauen, die nicht stillen konnten oder wollten, hörte ich auch, dass der Partner dann doch nicht so eifrig half wie zunächst erhofft.
Bin ich zu doof zum Stillen meines Babys?
All die positiven Aspekte, die ich soeben in Bezug auf das Stillen nannte, nahm ich natürlich nicht vom ersten Tag an wahr. Ich fand den Stillstart sogar ziemlich schwierig. Doch das lag weder an extremen Schmerzen, noch daran, dass mich das Stillen selbst so ausgelaugt hätte. Mir fehlte einfach eine kompetente Beratung zu diesem Thema im Vorfeld (auch hier lege ich euch wieder den ersten Teil der 21 Dinge, die ich gern vor der Geburt meines Babys gewusst hätte, ans Herz).
Da ich einfach keine gute Position für uns beide fand, war der Stillstart auch etwas schmerzhaft für mich. Und ja, die Häufigkeit des Anlegens in den ersten Wochen nach der Geburt hat mich geschockt. Ich hatte das Gefühl, dass meine Tage nur aus stillen und wickeln bestehen. Noch erschöpft von der Geburt und konfrontiert mit dieser plötzlichen Riesenverantwortung für so ein kleines und hilfsbedürftiges Menschlein, sind solche Startschwierigkeiten aber vermutlich eher die Regel als Ausnahmeerscheinung.
Papa Junior und meine Mama bestärkten mich immer wieder darin, dem Stillen weiter eine Chance zu geben. Unsere Hebamme hatte ebenso hilfreiche Tipps. Und nach wenigen Wochen hatte sich alles eingespielt und das Stillen klappte jeden Tag besser.
Natürlich fühlt sich diese Zeit in der Rückschau nun kurz an, doch damals fühlten sich diese frustrierenden Momente wie eine Ewigkeit an. Wenn man dann noch auf Sätze stößt wie „Stillen muss man nicht lernen. Frau kann das einfach instinktiv“, verstärken sich die Selbstzweifel noch. Bin ich zu doof, um mein Baby zu stillen?
Denkt also in den Frustmomenten, wenn es so gar nicht zu klappen scheint und ihr euch unfähig vorkommt, daran: Euer Stillstart sagt nichts über eure Fähigkeit als Mutter aus. Es wird sich, ziemlich sicher, auch bei euch alles einspielen. Dann könnt auch ihr die vielen Vorteile des Stillens mit eurem Baby genießen.
Wer mehr über meine (bisherige) Stillgeschichte lesen mag, ist bei meinem Artikel „Du stillst immer noch?“ richtig.
Weg mit dem Druck und schlechtem Gewissen: Jede Mama gibt ihr Bestes
Und wenn nicht? Wenn es gar nicht klappen will? Ihr alle Mittel ausgeschöpft habt, es aber trotz Stillberatung und Co. einfach nicht gut funktioniert? Na dann hört auf, euch aufzuopfern und es unglücklich und unter Schmerzen ewig zu versuchen. Denn Liebe und Geborgenheit lässt sich nicht nur beim Stillen vermitteln. Ihr seid mit keinem Makel behaftet, weil ihr nicht stillen konntet. Eure Babys werden trotzdem gesund und glücklich heranwachsen. Also weg mit diesem bekloppten schlechten Gewissen. Denn ihr braucht eure Energie jetzt für viel wichtigere Dinge.
Zum Abschluss möchte ich nochmal ehrlich sein: Ich dachte ja, dass die Stillabstände mit der Zeit immer größer werden. Hahahahha – ist aber nicht so. In der Nacht sind die Pausen zwar tatsächlich größer geworden, jedoch unterscheiden sich die Nächte, in Bezug auf Juniors Trinkverhalten, schon stark. Mal möchte er nur drei Mahlzeiten in der Nacht (mit sieben Monaten ist das bei uns die Regel), doch manchmal fordert er auch nahezu stündlich eine Milchportion (ja, auch das ist normal und doch von Baby zu Baby verschieden).
Tagsüber lege ich den Kleinen noch immer etwa alle zwei bis drei Stunden an, da er stillen möchte. Und nachdem mich das zunächst beunruhigte, da ich häufiger Hinweise wie „Viele Mütter atmen nun auf, da ihr Baby mit vier Monaten nur noch vier bis fünf Mal am Tag gestillt werden möchte.“ las, lernte ich: Auch das ist absolut in Ordnung und ich brauche mir keine Sorgen zu machen.
Ich bin sehr froh, dass das Stillen so gut bei uns funktioniert und habe nicht vor, in nächster Zeit abzustillen. Das hätte ich während meiner Schwangerschaft und vor allem zu Beginn der Stillzeit nicht gedacht.
Stillen als endlose Qual, welche die, sich für ihr Baby aufopfernde, Mutter auslaugt? Nö, nicht bei uns. Und wenn „erfahrene“ Mamas den schwangeren Frauen im Umfeld Angst machen, dann ist das vielleicht auch so ein Heldinnenmythos, den sie da um sich selbst kreieren möchten? Mamas, die wirklich leiden mussten (und ich bin mir darüber im Klaren, dass es diese Mamas gibt), erzählen ihre Leidensgeschichte wohl kaum in der Tram. Also: Lasst euch keine Angst vorm Stillen machen. Ihr packt das!
So, und jetzt muss ich Junior erstmal anlegen. Die letzte Stillrunde ist schließlich schon zwei Stunden her …
Allzeit bereit für den nächsten Stilleinsatz grüßt euch
eure Jana
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